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es riecht nach aufbruch dabei ist erst februar ein lachen streift durch meinen bauch und glitzert durch die poren ich atme tief und fühl das prickeln auf der haut und manchmal hab ich angst vor so viel unverdientem glück es riecht nach aufbruch und mir wachsen kleine flügel mein rücken ist nicht länger krumm ich stehe schon auf meinen eignen füßen ein bißchen länger sonne noch und wärme und ich flieg davon
Ahnungen
Es geht um Aufbruch, und diese Aufbruchstimmung ist für mich derart lustvoll, dass ich mich freudig in jenen Februartag des Dichters begebe, fast so, als wäre ich der Dichter selber. Ja, tatsächlich, als ich zum ersten Mal den Text las, konnte ich kaum glauben, dass er nicht meine eigene Schöpfung ist, so nah fühlte ich mich ihm Wunschdenken? Aufbruch kann vieles bedeuten. In dem Wort ist auch "Bruch" enthalten. Immer geht es um einen Bruch mit dem, was war, es ist etwas Neues da, zu dem es aufzubrechen gilt. Es gibt die Brüche im Leben, wenn nicht alles glatt läuft. Manchmal muss man zwangsweise aufbrechen, weil man irgendwo nicht mehr bleiben kann. Man kann auch freudig aufbrechen mit einem erstrebenswerten Ziel vor Augen. Leonard Cohen dichtete und sang vom Bruch, vom Riss: "There's a crack in everything, that's how the light gets in". In unserem Beispiel hier scheint der Aufbruch – das Riechen desselben - eine Art sinnliches Glück zu sein, ein Geschenk, das lachen macht bis in den Bauch hinein. Ein weiser Buddha, lacht der nicht auch so? Er lacht, und wenn Bedenken kommen, das Glück könne unverdient sein, lacht er sie weg - der Buddha wie der Dichter. Solche Geschenke, besonders wenn sie unverdient erscheinen, kommen Gnadengeschenken gleich, und hier "glitzert" sogar die Schönheit auf. Die Schönheit und Intensität der Vorfreude ist so zauberisch, dass sie durch menschliche Haut hindurch, von innen nach außen, nicht anders kann, als sich zu zeigen - sie glitzert. Tief wird geatmet. Die Wiederholung der ersten Zeile "Es riecht nach Aufbruch" hat Beschwörungscharakter; verstärkt die Vorahnung von etwas Kommendem. Könnte es nicht so sein? Es braucht nur "Ein bisschen länger Sonne noch und Wärme...",so das Dichter-Ich,und für mich ist es jene güldne Sonne, die ich aus dem christlichen Gesangbuch meiner Kinder- und Erwachsenentage kenne, die "unseren Grenzen" ihr "herzerquickendes liebliches Licht" hinhält, ja, selbst die Grenzen aufhebt, fliegen zu können. Zu meiner eigenen Überraschung bin ich nun in der Weite einer spirituellen Freude angekommen, während ich anfangs nur fröhlich - ein Kind - in das Gedicht wie in einen Frühlingsgarten voller Wunder sprang. Das besprochene Gedicht trägt keine Überschrift und ist auf den 16.02.1981 datiert. Es stammt aus dem im April 1982 erschienenen Band "ein zettel an meiner tür", der beim Autor (Hans-Curt Flemming, Der Verfasser des Gedichts ist Hans-Curt Flemming (Jahrgang 1947, in Stuttgart lebend). Die Rezensentin Gudrun Egner hat eine fremdsprachliche Ausbildung und lebt in Hamburg.
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