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(aus: Kritik des Herzens) Er stellt sich vor sein Spiegelglas Und arrangiert noch dies und das. Er dreht hinaus des Bartes Spitzen, Sieht zu, wie seine Ringe blitzen. Probiert auch mal, wie das sich macht, Wenn man so herzgewinnend lacht, Übt seines Auges Zauberkraft, Legt die Krawatte musterhaft. Wirft einen süßen Scheideblick Auf sein geliebtes Bild zurück, Geht dann hinaus zur Promenade, Umschwebt vom Dufte der Pomade. Und ärgert sich als wie ein Stint, Daß andre Leute eitel sind.
Heilsamer Blick in den Spiegel
Zugegeben, solange es ein Anderer ist, der bewundert, ist die Welt in Ordnung. Busch wusste, wie viel Mühe und Anstrengung ein kunstvoll gepflegter Bart und das ganze Aussehen bedurfte, wie viel letztlich in die moderne Schönheitspflegemittelindustrie investiert werden muss, um so sein Ziel zu erreichen, wie viel Zeit damit verbracht wird, bis die eigene Person so gelungen, dass sie sich selbst so wohlgefällig ist, sie sich selber nachlaufen könnte. So weit so gut. Doch durch die Kritik des Herzens setzt Nachdenklichkeit ein, über Sein und Schein, die Weisheit eines gewissen Wilhelm Buschs. Dies führt zu einem Gedichtsschluss, der einem triumphalen donnernden Schlussakkord einer Sinfonie gleichkommt. In dem Eitlen wachsen die Emotionen, wenn er feststellt, dass nicht er allein so durch die Welt geht - nein, das Nichtgönnen, der Neid, das Nein gegenüber anderen, die es gleich tun zu versuchen, regt ihn auf. Der Eitle wird seiner Eitelkeit nicht froh, nein sie schlägt in Ärger um. Busch wird mit dem Gedichtschluss zum Psychoanalytiker, zum Psychekenner und im weitesten Sinne zum Psycheheiler, dann, wenn sein Fingerzeig angenommen wird. Vielleicht hat er das selbst erfahren. Porträtfotos von ihm lassen dies nicht ganz ausschließen. Vielleicht ist das das Geheimnis der Lebendigkeit seiner Dichtung. Das besprochene Gedicht entstammt dem Gedichtband "Kritik des Herzens" (hier zitiert nach Otto und Hermann Nöldeke, Wilhelm Busch-Buch, Sammlung lustiger Bildergeschichten und einer Biographie, Berlin-Grunewald, 1930). Der Verfasser Wilhelm Busch lebte von 1832 bis 1908 (vergl. seine Biographie bei Wikipedia). Fast jeder Deutsche kennt "Max und Moritz", sein berühmtestes Stück; doch neben den vielen launig-humorvollen, bebilderten Geschichten aus seiner Feder hat er auch ernsthaft-hintersinnige Gedichte geschrieben. Der Rezensent Willi Volka (Pseudonym), 1941 in Karlsruhe geboren, lebt in Hannover und ist selbst Verfasser von Gedichten und Prosatexten. Nach dem Studium der Geographie in Saarbrücken arbeitete er bis 2006 in einer landesplanerisch-raumwissenschaftlichen Einrichtung. Erster Gedichtband: "Biegung des Jahres - Seismographe", 1998 im BRÜN-Verlag erschienen. Erster Preis im Seniorenwettbewerb 2002 der Stadt Völklingen. Schatzmeister der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren (IGdA). Homepage: www.willivolka.de.
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© 2006 |