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Theodor Storm
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Rote Rosen

Wir haben nicht das Glück genossen
In indischer Gelassenheit;
In Qualen ist’s emporgeschossen,
Wir wussten nichts von Seligkeit.

Verzehrend kam’s in Sturm und Drange;
Ein Weh nur war es, keine Lust!
Es bleichte deine zarte Wange
Und brach den Atem meiner Brust.

Es schlang uns ein in wilde Fluten,
Es riss uns in den jähen Schlund;
Zerschmettert fast und im Verbluten
Lag endlich trunken Mund auf Mund.

Des Lebens Flamme war gesunken,
Des Lebens Feuerquell verrauscht,
Bis wir aufs neu den Götterfunken
Umfangend, selig eingetauscht.






Gabriela Weil

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Liebe im 19. Jahrhundert


Die Lyrik kennt keinen anderen Weg als den: schnurstracks ins Herz und Hirn des Lesers. Dieser Umstand spiegelt sich insbesondere in Theodor Storms Gedicht "Rote Rosen" wider. Wer weiß nicht um sie, jene unerreichbare Liebe, jene zwei Königskinder, die nicht zueinander kommen konnten, weil das Wasser viel zu tief war. Ein Jahr nach seiner Hochzeit mit Constanze Esmarch im September 1846 (Storm sah in seiner Frau viel Ähnlichkeit mit sich selbst) lernte der damals 29-jährige, in Husum beheimatete Dichter seine große Liebe – Dorothea Jensen – kennen, von der er selbst als der "erschütterndsten Leidenschaft" seines Lebens spricht. Torkelnd im Rausch seiner Gefühle entstand das im Kreuzreim gehaltene Gedicht "Rote Rosen", das von Storm, ein Meister der Metrik, zeitlebens unter Verschluss gehalten wurde und erst nach seinem Tod veröffentlicht werden konnte. Über der handverfassten Niederschrift verläuft in der Mitte eine vertikal geschlängelte Linie; diese stellt die Unmöglichkeit für Storm beim Ausleben seiner zutiefst empfundenen Liebe zu Dorothea dar. Pflichtgefühl seiner Frau gegenüber, Ehrgefühl gegen sich selbst sowie gesellschaftliche Konventionen bilden das Fundament besagter Schlangenlinie. Indes – nur eine Leidenschaft, die es gilt, unter Verschluss gehalten zu werden, ist imstande, derart wilde Fluten zu produzieren, wie sie Theodor Storm in seinem Gedicht beschreibt. In unserer heutigen, konventionslosen Zeit, worin Begriffe wie "Pflicht- und Ehrgefühl" obsolet geworden sind eine Unmöglichkeit, ja, die Unmöglichkeit dessen, so tief zu fallen: die moralischen Gräben sind zugeschüttet worden.



Das obige Gedicht ist zum Beispiel veröffentlicht in: Theodor Storm, Sämtliche Werke, Insel Verlag Ffm., 1977, Deutscher Klassiker Verlag, ISBN: 3-618-61390-3.

Der Verfasser des Gedichts ist Theodor Storm, geb. am 14. September 1817 in Husum, gest. am 4. Juli 1888 in Hademarschen. Norddeutscher Dichter, Lyriker und Novellist, zuletzt Amtsrichter in Husum. Werke unter anderem: Immensee, Pole Poppenspäler, Aquis submersus, Der Schimmelreiter.

Die Rezensentin Gabriela Weil lebt in Baunatal und ist Mitglied der Theodor-Storm-Gesellschaft.



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